Jürgen Brömmer, aus der Eröffnungsrede zur

Ausstellung „Steffen Haas und die Seinen“

Ulm 2004


...Was zunächst auffällt, ist die Weigerung sich auf ein bestimmtes Genre festzulegen. Steffen Haas ist Zeichner, Maler, Erfinder, Musiker, Dichter und Vortragskünstler. Er bedient sich in seinen Arbeiten des gesamten Arsenals der Kunstgeschichte, unter seinen Arbeiten findet sich komische Gebrauchskunst und sachdienliche Illustrationen, aber auch dadaistische Apparate, expressionistische Farberuptionen, dekonstruktivistische Übermalungen und vieles mehr. Mit seinen meterlangen Bildstreifen und der Vorführung bewegungsloser Filme hat Steffen Haas sich auf ziemlich unbekanntes Terrain vorgewagt. Dies alles geschieht mit beeindruckendem handwerklichen Einsatz und Können und dennoch mit der Geste einer gewissen Wurstigkeit, nie aber mit dem anstrengenden Pathos einer mit sich selbst beschäftigten Kunstavantgarde. Steffen Haas ist ein freundlicher Arbeiter an der „Ausfransung der Kunstgattungen“, ein Begriff, der im Spätwerk Theodor Adornos auftaucht und durchaus einen Ausweg aus den Windmühlenkämpfen der künstlerischen Moderne anzeigen soll.

Wegweisend im Werk von Steffen Haas finde ich weiterhin das Gewicht, das Freundschaft sowohl bei als auch in seinen Arbeiten erhält.

In einem interessanten Aufsatz des Kunstwissenschaftlers Harald Lemke, der sich mit dem Thema „Freundschaft als Thema, Ursprung und Gegenstand von Kunst“ beschäftigt, wird festgestellt, dass „in der bildenden Kunst der Gegenwart Freundschaft kein Thema ist“. Lemke verweist auf die bekannten Freundschaftsbilder in der Kunstgeschichte, insbesondere natürlich die Freundschaftsbilder der Romantik. Entsprechendes sei in der Kunst der Gegenwart nicht zu finden, obwohl die Freundschaft selbst ein durchaus fruchtbares Feld sei, wenn es gelte, die Kunst ins alltägliche Leben zu transportieren.

Der Aufsatz von Herrn Lemke stammt aus dem Jahre 1996 und enthält, wie gesagt, einige interessante und sogar erhellende Gesichtspunkte. Die Stellung des Freundschaftsbildes in der gegenwärtigen Kunst muss aber einer Revision unterworfen werden, wenn man das Werk Steffen Haas betrachtet.

Denn einerseits ist das Thema der Freundschaft ein bestimmendes im gesamten Mose-Epos und den Mose-Bilderstreifen. Die Protagonisten sind schließlich eine verschworene Freundesgruppe, und Mikey the Stachelschwein kennt das Publikum nicht anders als „a very good friend“.

Und andererseits spielte die freundschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Künstlern bei Steffen Haas über die Jahre hinweg immer eine besondere Rolle. Hier in der Ausstellung sind einige schöne Beispiele zu sehen: Die Zusammenarbeit mit dem Freund Michael Rösch in der Künstlergruppe „Verschiedene Geschwindigkeiten“, die musikalische Kooperation mit Jeffi Schuhr und Georg Janker, die Buchillustrationen für und mit den Autoren Joachim Schulz und Andreas Fußer, und das zur Ulmer Ausstellung mit Samy Wiltschek herausgegebene Spatzenbüchlein.

Sogar sprichwörtliche Freundschaftsbilder sind entstanden, in denen die Künstler Gunter Hansen und Steffen Haas die Freundschaft nicht nur ihrer Alter Egos Mose und Küken zelebrieren. Mose und Küken werden bei vielerlei erfreulichen Beschäftigungen gezeigt, denen in vorbildlicher Eintracht nachgegangen wird. Nach Auskunft der Künstler muss man sich die Arbeit an diesen Zeichnungen mindestens genauso harmonisch vorstellen.
Die Bilder sind tatsächlich Gemeinschaftswerke von Mose und Küken, Verzeihung, von Haas und Hansen, - die Teile werden nicht unabhängig voneinander beigesteuert, sondern bei gemeinsamen Treffen ausgedacht und umgesetzt.

Das freundschaftliche Miteinander, das Steffen Haas mit seinen Künstlerkollegen pflegt und das auch das Gemeinschaftsleben in seinem Mose-Universum auszeichnet, wirkt gleichermaßen anziehend und ansteckend.

Wer schon einmal eine Mose-Show von Steffen Haas miterlebt hat, wird sich vermutlich erinnern, welche Anziehungskraft von der ganzen Veranstaltung aus geht. In einer der Shows wird unmittelbar nach der Pause ein Bild gezeigt, das den Blick auf den Zuschauerraum von der letzten Sitzreihe aus vorstellt. Man sieht die noch helle Leinwand, davor die Oberkörper des Publikums in dunklen Umrissen. Man schaut also gewissermaßen auf sich selbst, allerdings ausgestattet mit merkwürdigen Schlappohren und freudigzerwuseltem Fell. Und dennoch nimmt es überhaupt nicht wunder, dass man sich unversehens einer Schar Nager zugehörig fühlt, die gutgelaunt und gespannt auf die Fortsetzung der Vorstellung wartet...